Das Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung

Die Sonderstellung von Gaststätten im Horizont des staatsvertraglichen Differenzierungsgedankens

Sebastian Walisko

Freitag, 13.09.2019

Eine exponierte Stellung im Instrumentenmix des Glücksspielstaatsvertrages nimmt die Regulierung der Mindestabstände zwischen Spielstätten ein. Um die Entstehung von Glücksspielsucht in Deutschland zu verhindern und einzudämmen, hat der Glücksspielgesetzgeber einen quasi-quantitativen Regulierungsansatz gewählt, der darauf abzielt, den Glücksspielmarkt auszudünnen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass eine Verringerung des Angebotes (zwangsläufig) auch zu einer Verringerung der Glücksspielsucht führe. Den rechtlichen Anknüpfungspunkt für diese gesetzgeberische Grundannahme bilden § 21 Abs. 2 und § 25 Abs. 1 GlüStV. Beide Regelungen gehen von einer verdrängenden Wirkung räumlich konkurrierender Spielstätten aus. Während § 25 Abs. 1 GlüStV einen Mindestabstand zwischen Spielhallen einfordert und so verhindern soll, dass sich mehrere Spielhallen auf engem Raum ballen, verbietet § 21 Abs. 2 GlüStV die Vermittlung von Sportwetten in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich zugleich eine Spielhalle oder Spielbank befindet.

 

Über das in § 21 Abs. 2 GlüStV statuierte Trennungsgebot mussten zuletzt sowohl das Oberlandesgericht Hamburg, Urteil v. 23.05.2019, Az. 3 U 88/17, wie auch das Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil v. 02.05.2019, Az. 6 U 65/18, befinden. Dabei stellte sich in beiden Fällen die Frage, ob das Verbot der Sportwettenvermittlung in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich zugleich eine Spielhalle oder Spielbank befindet, auch für Gaststätten gilt, in denen neben Geldspielgeräten auch Sportwettautomaten aufgestellt sind. Sowohl das Oberlandesgericht Hamburg als auch das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. kamen in ihren Urteilen zu dem Schluss, dass § 21 Abs. 2 GlüStV ein Trennungsgebot für Gaststätten nicht zu entnehmen sei. Die Gerichte stützten ihre Entscheidungen in erster Linie auf den Wortlaut von § 21 Abs. 2 GlüStV, der eine Anwendbarkeit der Regelung auf Gaststätten verbiete. Insbesondere werde eine Gaststätte nicht vom staatsvertraglichen Spielhallenbegriff erfasst, sodass eine Übertragung des Trennungsgebotes auf Gaststätten schon aus diesem Grunde nicht möglich sei. Gestützt werde dieses Ergebnis dem Oberlandesgericht Hamburg zufolge zudem durch § 2 Abs. 4 GlüStV, der die Anwendbarkeit der staatsvertraglichen Vorgaben auf Gaststätten abschließend regelt und § 21 Abs. 2 GlüStV in diesem Zusammenhang nicht nennt.

 

Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass den gerichtlichen Entscheidungen eine Grundsatzfrage zugrunde liegt, die kennzeichnend für das Regulierungskonzept des Glücksspielstaatsvertrages ist. Das Oberlandesgericht Hamburg und das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. bestätigen in ihren Judikaten die (regulierungs-)politisch verfolgte Differenzierung nach dem Suchtgefährdungspotential der verschiedenen Glücksspielangebote. Je größer das Suchtgefährdungspotential eines Glücksspiels ist, desto intensiver muss dessen Regulierung ausfallen. Umgekehrt sollen also „ungefährlichere“ Glücksspiele weniger Restriktionen unterfallen. Ausdrücklich ordnet dies schon § 1 Satz 2 GlüStV an, wonach zur Zielerreichung differenzierte Maßnahmen ergriffen werden sollen, deren Regulierungsintensität sich nach dem spezifischen Gefährdungspotential der jeweiligen Spielform bemisst. Diese Grundkonzeption wird sodann im Rahmen der einzelnen Regulierungsinstrumente wiederaufgegriffen. So soll sich etwa das erlaubte Maß glücksspielbezogener Werbemaßnahmen danach richten, wie gefährlich das beworbene Glücksspielangebot ist. Konsequenz dessen ist etwa, dass die Lotterieanbieter intensiver werben sollen dürfen als Anbieter von Glücksspielen mit einem größeren Suchtgefährdungspotential wie Sportwetten oder Spielautomaten. Dass hiergegen wiederkehrend kritische Stimmen laut werden, die hinter dem Differenzierungsansatz eine verfassungs- und unionsrechtlich fragliche Bevorteilung des staatlichen Glücksspielangebotes sehen, verwundert nicht. Aber auch die von den Oberlandesgerichten festgestellte Unanwendbarkeit des Trennungsgebotes auf Gaststätten muss (zumindest) in regulierungstheoretischer Perspektive kritisch gesehen werden. Zwar mag es dogmatisch zutreffend sein, dass der Wortlaut von § 21 Abs. 2 GlüStV sowie die Regelung in § 2 Abs. 4 GlüStV die Anwendung des Trennungsgebotes verbieten. Allerdings trägt das Argument des Oberlandesgerichtes Frankfurt a.M., wonach „die Gefahr, Gerätespieler zusätzlich der Sportwette zuzuführen, […] in einer Spielhalle, die in der Regel zum Spielen aufgesucht wird, größer [sei] als in einer Gaststätte, die – auch wenn sich dort Spielgeräte befinden – in der Regel zum Verzehr von Speisen und Getränken aufgesucht wird“, bestenfalls bedingt. Nimmt man es mit den staatsvertraglichen Zielen ernst, so müsste gerade in Ansehung der steigenden Anzahl sog. Scheingaststätten und der geringeren bzw. fehlenden sozialen Kontrolle in Gaststätten das Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV auch und gerade auf Gaststätten angewendet werden. Anderenfalls würde für Glücksspieler von Gesetzes wegen eine attraktive Alternative geschaffen, die konträr zur Zielsetzung der deutschen Glücksspielpolitik stünde.