Zur organisationsrechtlichen Ausgestaltung staatlicher Glücksspielangebote

Sebastian Walisko

Montag, 23.09.2019

Ein Gesetzgebungsvorhaben des Landes Thüringen, LT-Drs. 6/7401, rückt gegenwärtig eine Grundlagenfrage der organisationsrechtlichen Ausgestaltung staatlicher Glücksspielangebote in den tagespolitischen Fokus. Bisher ist das Lotterieangebot des Landes Thüringen zweiteilig organisiert. Während die Aufgabe des Veranstalters gegenwärtig von der Lotterieverwaltung Thüringen wahrgenommen wird, obliegt die Durchführung der Lotterie der Lotterie-Treuhandgesellschaft mbH Thüringen und damit einer juristischen Person des Privatrechts. Zukünftig sollen die Aufgaben der Veranstaltung und Durchführung dem Gesetzesentwurf zufolge einheitlich durch eine neu zu gründende Anstalt des öffentlichen Rechts, der Thüringer Staatslotterie, wahrgenommen werden. Als Gründe für die organisationsrechtliche Umstrukturierung des landeseigenen Glücksspielangebotes führt der Gesetzesentwurf umsatzsteuerrechtliche Erwägungen einerseits und binnenorganisatorische Effizienz- und Effektivitätsaspekte andererseits an.

 

Das Vorgehen des thüringischen Gesetzgebers sowie der Umstand, dass die organisationsrechtliche Ausgestaltung aller ländereigenen Lotterieangebote verschieden ausfällt, erwecken den Anschein, als könnten die Länder die Organisationsform für die von ihnen angebotenen Lotterien nach Belieben wählen. Plausibler wirkt demgegenüber im ersten Zugriff die Behauptung, dass ein staatliches Glücksspielangebot auch öffentlich-rechtlich organisiert sein sollte. Diesem in der glücksspielrechtlichen Forschung zaghaft aufkeimendem Ansatz liegt die Idee zugrunde, aus dem die Aufgabenwahrnehmung betreffenden Staatsvorbehalt organisationsrechtliche Konsequenzen abzuleiten. Anders gewendet müsse demnach eine öffentlich-rechtliche Organisationsform für die Ausgestaltung eines Glücksspielangebotes gewählt werden, wenn dessen Bereitstellung von Gesetzes wegen ausschließlich dem Staat vorbehalten ist. Dem kann in Ansehung organisationsrechtlicher Grundsätze und verfassungsrechtlicher Strukturanforderungen allerdings nicht gefolgt werden.

 

Wie das ländereigene Lotterieangebot auszugestalten ist, bemisst sich in erster Linie nach § 10 GlüStV, der in Abs. 1 Satz 1 zunächst regelt, dass den Ländern „zur Erreichung der Ziele des § 1 die ordnungsrechtliche Aufgabe [obliegt], ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen“. Zur Umsetzung dieses Sicherstellungsauftrages normiert § 10 Abs. 2 Satz 1 GlüStV organisationsrechtliche Direktiven. Danach haben die Länder die Möglichkeit, die ihnen übertragene „öffentliche Aufgabe selbst, durch eine von allen Vertragsländern gemeinsam geführte öffentliche Anstalt, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, [zu] erfüllen“. Die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 1 GlüStV gewährt den Ländern somit ein Ermessen im Hinblick auf die organisationsrechtliche Ausgestaltung ihres jeweiligen Lotteriemonopols und nennt vier gleichrangige Organisationsformen. Entscheidend ist demnach einzig und allein, dass ein hinreichender operativer Einfluss der Länder gewahrt bleibt.

 

Die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 1 GlüStV buchstabiert damit in konsequenter Weise das Prinzip der Formenwahlfreiheit der öffentlichen Verwaltung aus, wonach es dem Staat freisteht, welche Organisationsform er für die Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben wählt. Begrenzt wird diese Freiheit der Formenwahl lediglich von den Struktur- und Organisationsanforderungen der Verfassung. Hierzu zählen insbesondere solche Maßgaben, die aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet werden. Erforderlich ist hiernach zum einen, dass dem demokratisch legitimierten Träger der Organisation effektive Einfluss- und Kontrollinstrumente zur Verfügung stehen. In rechtsstaatlicher Perspektive darf die Formenwahl zum anderen nicht zu einer Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes führen oder rechtsstaatliche Standards herabsenken. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben werden die verschiedenen Organisationsformen des § 10 Abs. 2 Satz 1 GlüStV zwar in unterschiedlicher, letztlich aber hinreichender Weise gerecht. Eine Verengung der gesetzgeberischen Organisationsentscheidung zugunsten einer Exklusivität öffentlich-rechtlicher Organisationsformen kann somit nicht gefordert werden. Auch ein über die verfassungsrechtlichen Anforderungen hinausgehender Maßstab, der die organisationsrechtliche Ausgestaltung der ländereigenen Glücksspielangebote determiniert, besteht nicht. Wenn überhaupt, könnte unter Rationalitätserwägungen diejenige organisationsrechtliche Ausgestaltung gefordert werden, die für die Aufgabenerfüllung am besten geeignet erscheint. Dabei handelt es sich letztlich aber um eine Entscheidung, die von Zweckmäßigkeitserwägungen bestimmt wird und in die Einschätzungsprärogative des jeweiligen Landesgesetzgebers fällt. Der Umstand, dass für das Anbieten von Lotterien ein Vorbehaltsraum der Länder besteht, kann für sich genommen nicht als alleiniges und ausschlaggebendes Argument dafür ins Feld geführt werden, dass eine öffentlich-rechtliche Organisationsform gewählt werden muss.