Hinweisbeschluss des LG Erfurt – Vorlagefragen für ein Vorabentscheidungsverfahren
 

Florian Tautz

Samstag, 04.05.2024

Die Geschichte „Erstattung von Verlusten“ geht weiter – mit immer neuen Wendungen:

In der Sache I ZR 88/23 wird dem Hinweisbeschluss des BGH (vgl. Hinweisbeschluss des BGH: Rückforderung von Sportwettverlusten?, in: GLÜG-Blog v. 17.04.2024) keine Entscheidung mehr folgen. Der Verhandlungstermin am 2. Mai wurde aufgehoben, da die beklagte Sportwettenanbieterin ihre Revision zurückgenommen hat (vgl. Pressemitteilung).

Am 29.04.2024 hat nun aber das LG Erfurt (Az. 8 O 1125/23), wiederum in einem Hinweisbeschluss, für ein beabsichtigtes Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH drei Vorlagefragen und hilfsweise eine weitere Frage zum Themenkomplex der Rückforderung von Sportwetteinsätzen formuliert. Zudem kritisiert das LG den BGH, weil er auf eine Anrufung des EuGH verzichtet hatte.

Die erste Vorlagefrage betrifft die „[z]ivilrechtliche Sanktion wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot aufgrund fehlender nationaler Veranstaltererlaubnis für Onlinesportwetten“. Das Gericht fragt danach, ob die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit durch die Rückforderungen von Sportwetteneinsätzen unter den gegebenen Umständen unionsrechtlich zu rechtfertigen sei. Die Umstände skizziert das Gericht sinngemäß folgendermaßen: Es liegt ein Verbotsgesetz vor, von dem allerdings Ausnahmen vorgesehen waren. Es konnten aber keine Konzessionen erteilt werden, da das Erlaubnisverfahren nicht den unionsrechtlichen Maßstäben entsprach.

Die zweite Vorlagefrage betrifft die „[z]ivilrechtliche Sanktion bei Onlinesportwetten wegen Verstoßes gegen Anforderungen an den Inhalt der nationalen Konzession“. Das LG fragt sinngemäß danach, ob aus unionsrechtlicher Sicht eine zivilrechtliche Sanktion an den Verstoß gegen gesetzlich normierte Anforderungen geknüpft werden könne, die von einer Behörde gegenüber dem Veranstalter in einer Erlaubnis festgelegt werden müssen. Das LG stellt auf die Regelung zur Höchstgrenze von Einsätzen aus § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 ab. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich die Höchstgrenze von 1000€ bereits aus dem Gesetz ergab und lediglich Abweichungen davon in der Erlaubnis von der Behörde festgelegt werden mussten, sodass das LG die Rechtslage an dieser Stelle zumindest missverständlich skizziert. Es hinterfragt die Rechtsauffassung anderer Gerichte, wonach die Berücksichtigung der inhaltlichen Anforderungen der Konzession notwendig sei, da sonst die unerlaubten Anbieter wegen der Unanwendbarkeit des Erlaubnisvorbehalts besser stünden als bei Konzessionserteilung. Das LG wendet demgegenüber ein, dass ein Verstoß gegen diese Vorschrift bei vorheriger Konzessionserteilung nicht zur „zivilrechtlichen Unwirksamkeit des grenzüberschreitenden Dienstleistungsvertrages geführt hätte“, sondern „Verstöße im Einzelfall dann Gegenstand der behördlichen Glücksspielaufsicht wären“. 

Drittens fragt das Gericht danach, ob es „mit dem unionsrechtlichen Verbot des Rechtsmissbrauchs“ vereinbar wäre, wenn eine „zivilrechtliche Sanktion unionsrechtswidrige verwaltungs- und strafrechtliche Sanktionen“ ersetzen und allein den Dienstleistungserbringer treffen würde, obwohl beide Vertragsparteien gegen das strafrechtliche Verbot verstoßen haben, und „der Empfänger je nach Ausgang der Wette die Wahl hätte, bei Verlusten eine Rückabwicklung zu erlangen, sich bei Gewinnen aber auf die Gültigkeit der Wettverträge zu berufen“.

Hilfsweise stellt das Gericht die Frage, ob „die zivilrechtliche Sanktion der Unwirksamkeit [auch dann] anzuwenden [sei], wenn die konkret geltend gemachte Verletzung einer Regelung des Spielerschutzes nicht kausal für den zu erstattenden Verlust war […] und / oder auf das Angebot insgesamt zu erstrecken [sei], auch wenn der Rechtsverstoß nur einzelne Wetten betrifft“.

Das LG Erfurt gibt den Parteien bis Ende Mai 2024 Gelegenheit zur beabsichtigten Vorlage Stellung zu nehmen.