Warum evaluiert die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder?

Recht- und Zweckmäßigkeit ihres Evaluierungsauftrags nach § 32 GlüStV 2021

Prof. Dr. Winfried Kluth

Dienstag, 29.04.2025

 

Eine Pflicht zur Evaluierung durch die Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder findet sich in den Glücksspielstaatsverträgen bereits seit dem Jahr 2008. Die aktuelle Fassung aus dem Jahr 2021 sieht allerdings erstmalig eine Mitwirkung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder vor. Damit wird er erstmalig ein an der Ausführung des Gesetzes Beteiligter zentraler Akteur in die Evaluation einbezogen. Diese Neuregelung hat in der Kommentarliteratur und der fachpolitischen Debatte kritische Nachfragen provoziert. Man kann die Kritik auf den knappen Nenner bringen, dass hier der „Bock zum Gärtner gemacht“ wurde, beziehungsweise, fachwissenschaftlicher ausgedrückt, dass es an der nötigen Distanz fehlt, um eine unabhängige Evaluierung durchzuführen. Wie sind diese Einwände aus dem Blickwinkel der Gesetzgebungslehre sowie aus verfassungsrechtlicher Sicht zu beurteilen?

Evaluierung als Teil der Gesetzesfolgenabschätzung

Aus der Perspektive der Gesetzgebungslehre ist die Evaluierung eine besondere Variante der Gesetzesfolgenabschätzung. Diese beginnt auf einer ersten Stufe im Rahmen der Erarbeitung eines Gesetzesvorschlag. In dieser Phase geht es vor allem darum, die geplanten Wirkungen und die unbeabsichtigten Nebenwirkungen der geplanten gesetzlichen Regelungen zu ermitteln. Da dies häufig nur auf der Grundlage von Prognosen und mit teilweise erheblichen Unsicherheiten möglich ist, ist es in vielen Fällen sinnvoll, die spätere Gesetzesanwendung zu beobachten und nach Ablauf eines ausreichenden Zeitraumes (in der Regel drei bis fünf Jahre), in dem man hinreichende Erfahrungen sammeln konnte, eine rückblickende Bewertung vorzunehmen, die man als Evaluierung bezeichnet. In der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) finden sich in § 44 entsprechende Vorgaben. Diese lassen jedoch offen, wie und durch wen die Evaluierung durchzuführen ist. Ziel der Evaluierung ist es aus der Perspektive der Gesetzgebungslehre, die Qualität und Wirksamkeit eines Gesetzes zu verbessern. Dahinter steht das Leitbild einer lernenden Gesetzgebung, die sich des Umstandes bewusst ist, dass der Gesetzgeber häufig erst in einem Suchprozess und unter Einbeziehung von Überprüfungen die bestmögliche Regelung für ein bestimmtes Themenfeld findet bzw. finden kann („trial and error“-Prinzip).

Verfassungsrechtliche Pflicht zur Evaluierung

Das Verfassungsrecht vermittelt einen zweiten Zugang zur Evaluierung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber vor allem bei Gesetzen, die in Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen oder mit denen eine grundrechtliche Schutzpflicht erfüllt wird, angehalten, die Wirksamkeit seiner Regelungen beziehungsweise die Rechtfertigung der Freiheitsbeschränkung in gewissen Abständen zu überprüfen, insbesondere dann, wenn neue Erkenntnisse vorliegen. Für diese Fälle hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtsfigur der Beobachtung- und Nachbesserungspflicht entwickelt und in vielen Fällen angewendet. Daraus können sich auch gesetzgeberische Pflichten zur Verankerung von Evaluierungen in den betreffenden Gesetzen ableiten.

Beurteilung der Regelung in § 32 GlüStV

Indem der Glücksspielstaatsvertrag in § 32 eine Pflicht zur Evaluierung vorsieht, konzipiert er den Staatsvertrag beziehungsweise die Umsetzung in den Landesgesetzen als „lernendes Recht“. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob es hier eine strikte verfassungsrechtliche Pflicht zur Evaluierung gibt, da diese Pflicht auf jeden Fall erfüllt wird. Fraglich ist jedoch, ob die Vorgaben für die Durchführung der Evaluierung rechtmäßig und geeignet sind.

Ein vergleichender Blick auf Evaluierungsregelungen und Evaluierungspraktiken macht deutlich, dass in der Regel die Ministerialverwaltung mit der Veranlassung einer Evaluierung betraut wird. In der Praxis ist jedoch ein breites Spektrum an Vorgehensweisen anzutreffen.

Den Idealvorstellungen in der Gesetzgebungslehre folgt eine Praxis, bei der ein Evaluationsauftrag im Wege der Ausschreibung an wissenschaftlich arbeitende Einrichtungen vergeben wird. Dadurch sind fachliche Unabhängigkeit und methodische Kompetenz gesichert. Verfassungsrechtlich ist dies allerdings nicht zwingend. Deshalb können Evaluierungen auch durch staatliche Stellen selbst durchgeführt werden. Allerdings sollte auch dann ein Mindestmaß an Transparenz und methodischer Fundierung abgesichert sein.

Die Mitwirkung der gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder, wie sie in § 32 GlüStV vorgesehen ist, ist grundsätzlich zulässig. Es handelt sich erstens nur um eine Mitwirkung und nicht um die Verantwortung für die Organisation und inhaltliche Entscheidung. Zudem wäre die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder als wichtige Informationsquelle auf jeden Fall an dem Verfahren zu beteiligen. Allerdings zeigt ein Blick auf den Bericht zur zwischen Evaluation vom 31. Januar 2024, dass dort Mindestanforderungen an die Transparenz nicht erfüllt werden. Es ist nicht ersichtlich, in welchem Verfahren der Bericht erstellt wurde und welche Akteure daran beteiligt waren. Auch die Art und Weise der Mitwirkung der gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder lässt sich nicht nachvollziehen. Deshalb sollte für den Endbericht dringend nachgebessert werden und in Bezug auf Methoden und Verfahren eine transparente Grundlage geschaffen werden. Auch die zumindest punktuelle Einbeziehung von unabhängigem Sachverstand außerhalb des Fachbeirates ist anzuraten.

Literaturhinweise:

Wolfgang Kahl, Gesetzesfolgenabschätzung und Nachhaltigkeitsprüfung, in: Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, 2014, § 13.

Wolfram Höfling/Engels, Parlamentarische Eigenkontrolle als Ausdruck von Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten, in: Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, 2014, § 34

Sven-Joachim Otto, in: Hamacher/Krings/Otto (Hrsg.), Glückspielrecht, 2022, Kommentierung § 32 GlüStV 2021.