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Corona und Glücksspiel:
Drei Fragen an Mathias Dahms

 

Wie arbeiten Sie und der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) gegenwärtig unter den Bedingungen von Corona?

 

Glücklicherweise war der DSWV schon vor Corona technisch und logistisch optimal aufgestellt, sodass wir unsere Verbandsarbeit und unser Dienstleistungsangebot für unsere Mitglieder mit Ausbruch der Krise unmittelbar und nur mit geringsten Einschränkungen aufrechterhalten konnten. Um sich und ihre Kollegen zu schützen, arbeiten alle unsere Mitarbeiter derzeit im Home Office. Natürlich können viele Bereiche der täglichen Arbeit eines politischen Interessenverbandes derzeit trotzdem nicht wie gewohnt stattfinden: Weder können wir derzeit in die Landeshauptstädte reisen, um mit den Landespolitikern zu sprechen, noch finden aktuell Fachkonferenzen, Messen oder Treffen mit den Mitgliedern und anderen Verbänden statt. Wir versuchen, das Fehlen persönlicher Kontakte so gut wie möglich durch Videokonferenzen und zahlreiche Telefonate zu kompensieren. Die Coronakrise sorgt bei uns dennoch nicht für weniger Arbeitsanfall - im Gegenteil: Wir verstehen es als unsere Aufgabe, für unsere Mitglieder den Überblick über die zahlreichen Corona-Regelungen und -Verordnungen von Bund und Ländern zu behalten und unsere Mitglieder entsprechend zu informieren.

 

Welchen Einfluss haben die Beschränkungen durch die Corona-Maßnahmen auf Ihre Mitgliedsunternehmen bzw. was beobachten Sie, wie die Maßnahmen das Verhalten Dritter in diesem Bereich beeinflussen?

 

Wie viele andere Wirtschaftsbereiche hat die Coronakrise den Sportwettenbereich sehr hart getroffen. Durch den Ausfall bzw. das Pausieren nahezu aller relevanter Sportwettbewerbe ist unseren Mitgliedern von heute auf morgen die Geschäftsgrundlage weggebrochen: Alle wichtigen Ligen wurden monatelang unterbrochen, viele von ihnen werden in dieser Spielzeit auch nicht wieder angepfiffen; die Fußballeuropameisterschaft und die Olympischen Sommerspiele wurden sogar auf 2021 verschoben. Das Wettangebot der letzten Wochen beschränkte sich notgedrungen auf weißrussischen Fußball, russisches Eishockey und einige Tischtennisturniere. Für unsere Mitglieder ist es daher von enormer Bedeutung, dass die Fußball-Bundesliga einen Weg gefunden hat, die Saison unter strengen Hygieneauflagen ab dem 16. Mai fortzusetzen.

 

Darüber hinaus mussten Mitte März bundesweit alle Wettbüros schließen. Die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen in diesem Bereich erzielen seitdem keine Einnahmen mehr und bangen um ihre Existenz. Wir begrüßen es daher sehr, dass die Bundesländer den Unternehmern in diesen Tagen durch neue Verordnungen Perspektiven aufzeigen, wie ihr Geschäftsbetrieb zukünftig auch während der Coronakrise sichergestellt werden kann - andernfalls wären Masseninsolvenzen in allen Wirtschaftsbereichen, auch bei den Wettbürobetreibern, wohl kaum noch zu vermeiden. Dass bei der Wiedereröffnung von Wettbüros besondere Schutzvorgaben wie Mindestabstände zu erfüllen sind, ist für uns dabei selbstverständlich - sie sind Ausdruck der “neuen Normalität” während der Pandemie. Die Wettanbieter tragen Verantwortung für ihre Kunden und Mitarbeiter und werden dieser gerecht.

 

Welche langfristigen Folgen wird die Corona-Pandemie Ihrer Einschätzung nach im Glücksspielsektor entfalten?

 

Welche langfristigen Effekte die Coronakrise auf das Verbraucherverhalten im Glücksspielbereich haben wird, ist meines Erachtens jetzt noch nicht absehbar. Im Sportwettenbereich konzentrieren sich alle unsere Bemühungen derzeit darauf, die akute Krisensituation ohne ausreichendes Sportangebot wirtschaftlich zu überstehen. Den Sportwettenanbietern macht die derzeitige Situation sehr zu schaffen: Ein erster renommierter Anbieter hat vor einigen Tagen bereits angekündigt, sich komplett aus dem stationären Wettbürogeschäft in Deutschland zurückzuziehen. Wir hoffen daher, dass nach der Bundesliga bald weitere europäische Ligen wie England, Spanien oder Italien sowie die UEFA Wege finden, wie sie den Spielbetrieb in medizinisch vertretbarer Weise wiederaufnehmen können. Denn insbesondere der Fußball, der bis zu 90 Prozent der Wetteinsätze ausmacht, ist für unsere Branche besonders wichtig. So ungewohnt und wenig atmosphärisch “Geisterspiele” ohne Publikum auch sein mögen, sind sie gegenüber einem Saisonabbruch dennoch die bessere Alternative.

 

 

 

Mathias Dahms ist seit 2014 Präsident des Deutschen Sportwettenverbandes (DSWV). Er studierte BWL, Mathematik und Informatik und hält einen Abschluss als Diplom-Informatiker der Universität Kiel. Nach seiner Ausbildung war er in verschiedenen Unternehmen der Telekommunikationsbranche tätig, bevor er sich 1997 mit einem ersten Start-Up im Glücksspielbereich selbständig machte. 1999 führte er das Unternehmen an die Frankfurter Börse und war bis Ende 2013 bei der inzwischen als mybet-Group firmierenden Unternehmensgruppe als CEO und Vorstandsvorsitzender tätig. Danach gründete er ein neues Sportwettunternehmen und brachte dieses 2015 in die Gauselmann-Gruppe ein. Anschließend führte er bis Mitte 2019 die deutschen Sportwettaktivitäten der Gauselmann-Gruppe unter der Marke XTiP. Seitdem ist er neben seiner Tätigkeit als DSWV-Präsident Geschäftsführer der Merkur Sports & Gaming GmbH in Espelkamp.