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Die Verfassungswidrigkeit der Wettbürosteuer

Florian Tautz

Mittwoch, 14.16.2023

Viele Schlagzeilen setzten in jüngerer Zeit die Leser darüber in Kenntnis, dass Städte reihenweise die sogenannte Wettbürosteuer zurückerstatten müssen. Woher kommt diese Verpflichtung der Städte?

Die Wettbürosteuer wird auf die Veranstaltung oder Vermittlung von Wetten erhoben. Allerdings sind Wetten auch Besteuergegenstand der Sport- und Rennwettsteuer nach dem RennwLottG. Das BVerwG (Urt. v. 20.9.2022 – 9 C 2.22) hält daher die Wettbürosteuer für nicht mit dem Gleichartigkeitsverbot aus Art. 105 Abs. 2a S. 1 GG vereinbar und somit für verfassungswidrig.

Mit dieser Entscheidung wurde ein neuer Höhepunkt und voraussichtlich auch der Schlusspunkt in der Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit der Wettbürosteuer gesetzt. Auch in Bezug auf die Frage nach dem Inhalt des Gleichartigkeitsverbots aus Art. 105 Abs. 2a S. 1 GG kann diese Entscheidung als Meilenstein bezeichnet werden, da erstmals nach der Entscheidung des BVerfG (Beschl. v. 22.3.2022 – 1 BvR 2868/15) zur Bettensteuer eine Aufwandsteuer für verfassungswidrig erklärt wurde.

 

I. Zwei verfassungsrechtliche Gleichartigkeitsverbote

Das deutsche Verfassungsrecht kennt zwei steuerrechtliche Gleichartigkeitsverbote:

Das herkömmliche Gleichartigkeitsverbot hat eine bis auf 1926 zurückgehende Geschichte und wird als allgemeiner Rechtsgrundsatz des deutschen Steuerrechts betrachtet, der ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der kompetenzrechtlichen Norm des Art. 72 GG ist. Zur Feststellung eines Verstoßes hat das BVerfG zunächst vor allem den Steuergegenstand und den Steuermaßstab als ausreichende Kriterien herangezogen. Später hat das BVerfG vordergründig gegenüber eher formalen Abgrenzungskriterien darauf abgestellt, ob die Aufwandsteuer dieselbe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ausschöpft wie die Bundessteuer.

Das für die Wettbürosteuer maßgebliche Gleichartigkeitsverbot ergibt sich seit 1970 aus der negativen Tatbestandsvoraussetzung der Kompetenznorm des Art. 105 Abs. 2a S. 1 GG. Danach haben die Länder die Gesetzgebungsbefugnis über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Die Rechtsprechung des BVerfG entnimmt dem Gleichartigkeitsbegriff aus Art. 105 Abs. 2a GG gegenüber dem traditionellen Begriff eine beschränkte eigenständige Bedeutung, hat dieses geschriebene aber jüngere Gleichartigkeitsverbot aber lange nicht konkretisiert.

 

II. Konkretisierung des geschriebenen Gleichartigkeitsverbots durch das BVerfG

Diese Konkretisierung erfolgte dann in der Entscheidung des BVerfG (1 BvR 2868/15) zur Bettensteuer. Ist der Steuergegenstand einer kommunalen Aufwandsteuer mit dem einer speziellen Bundessteuer identisch, liegt bereits ein Verstoß gegen das Verbot vor, da nicht dieselbe Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausgeschöpft werden soll (s. auch Brüggemann, ZfWG 2023, 58, 59). Bei dem Vergleich mit der allgemeinen Umsatzsteuer gilt es weitergehend, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, wenn nicht der Extremfall einer kommunalen Aufwandsteuer auf alle Aufwendungen gleichermaßen in Rede steht.

 

III. Gleichartigkeit von Wettbürosteuer und Sport- und Rennwettsteuer

Die Wettbürosteuer ist eine kommunale Aufwandsteuer. Durch diese Steuer soll die durch die entsprechende Lebensführung zum Ausdruck kommende besondere Leistungsfähigkeit erfasst werden. Das RennwLottG normiert hingegen bundesrechtlich eine Rennwett- und eine Sportwettensteuer (§§ 17 ff. RennwLottG) als besondere Verkehrsteuern.

Besteuerungsgegenstand der Dortmunder Wettbürosteuer, die Gegenstand der Entscheidung des BVerwG (9 C 2.22) war, ist ungeachtet des Satzungswortlauts der Aufwand des Wettkunden für Wetten im Wettbüro (Rn. 12; vgl. auch ausführlich dazu Brüggemann, ZfWG 2019, 449, 451). 

Besteuerungsgegenstand der Rennwettsteuer als Buchmachersteuer ist nach dem für die Entscheidung maßgeblichen RennwLottG a.F. jede bei diesem anlässlich öffentlicher Leistungsprüfungen für Pferde abgeschlossene oder vermittelte Wette, Besteuerungsgegenstand der Sportwettensteuer waren Wetten aus Anlass von Sportereignissen, die nicht als Rennwetten besteuert werden, wenn die Sportwette im Inland veranstaltet wird oder wenn der Spieler eine natürliche Person ist und bei Abschluss des Wettvertrages seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat oder, wenn er keine natürliche Person ist, bei Abschluss des Wettvertrages seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Eine Ausnahme gilt, wenn der Spieler sich bei Abschluss des Wettvertrages außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufhält und die zur Entstehung des Wettvertrages erforderlichen Handlungen dort vorgenommen werden. Steuerschuldner der Sportwettensteuer konnte nur der Veranstalter sein. Steuerschuldner der Wettbürosteuer ist der Betreiber, sowohl als Vermittler als auch als Veranstalter. Die Steuerschuldner sind somit mit Blick auf den Sportwettvermittler, der nur von der Wettbürosteuer erfasst wird, nicht in jedem Fall identisch. Beide Steuerarten sind auf Abwälzung auf den Konsumenten ausgelegt.

 

Erst 2017 hat das BVerwG (Urt. v. 29.06.2017 - 9 C 7.16) maßgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung der Wettbürosteuer genommen, indem es den damals in der Dortmunder Wettbürosteuersatzung angewendeten Flächenmaßstab für verfassungswidrig erklärte. Die Satzung verwendete als Bemessungsgrundlage noch die Veranstaltungsfläche der genutzten Räume, der Steuersatz für jede angefangenen zwanzig Quadratmeter Veranstaltungsfläche betrug 250,00 Euro. Der Rückgriff auf die Veranstaltungsfläche als Maßstab sei im Gegensatz zu einem Rückgriff auf den Spieleinsatz oder das Einspielergebnis nicht sachgerecht und verletze den Grundsatz der Steuergerechtigkeit aus Art. 3 Abs. 1 GG. Gleichzeitig hatte das BVerwG aber keinen Verstoß der Aufwandsteuer unter Anwendung des Flächenmaßstabs gegen das Gleichartigkeitsverbot gesehen. In der Literatur wurde daraufhin darüber gestritten, ob sich die Ausführungen in Bezug auf das Gleichartigkeitsverbot allgemein auf die Wettbürosteuer anwenden ließen, also auch unter Anwendung eines anderen Steuermaßstabs.

 

Das BVerwG (9 C 2.22) stellt nun klar, dass die Wettbürosteuer in der neuen Form einer Spieleinsatzsteuer gegen das Gleichartigkeitsverbot aus Art. 105 Abs. 2a S. 1 GG verstoße. Bezüglich der Auslegung des Gleichartigkeitsverbots schließt es sich ausdrücklich dem BVerfG an. Ebenso hält das BVerwG fest, dass die Gleichartigkeit auch am Besteuerungsgegenstand ansetze und das Verbot ausschließe, „dass derselbe Gegenstand sowohl mit einer Bundessteuer als auch mit einer neuen Landes- oder kommunalen Aufwandsteuer belegt werden kann.“ Länder und Gemeinden sei es verwehrt, „aus einer speziellen Steuerquelle zu schöpfen, die der Bund bereits einer besonderen Besteuerung unterzogen hat“ (Rn. 19). Im Rahmen der darauffolgenden Subsumtion der Wettbürosteuer unter das Gleichartigkeitsverbot wird konstatiert, dass die Erhebung einer kommunalen Wettbürosteuer mit Blick auf den Steuergegenstand „generell ausgeschlossen“ (Rn. 20) sei. Die Wettbürosteuer schöpfe aus derselben Quelle steuerlicher Leistungsfähigkeit. Dem ist zuzustimmen. Sowohl die Wettbürosteuer als kommunale Aufwandsteuer als auch die Sport- und Rennwettsteuer als spezielle Verkehrsteuer sehen als Steuergegenstand den Aufwand für Wetten vor. Dabei macht es auch keinen (wesentlichen) Unterschied, ob der Wettbürobetreiber selbst Veranstalter oder bloß Vermittler ist. Nach § 17 Abs. 2 RennwLottG a.F. unterfielen die im Gemeindegebiet vermittelten Wetten in aller Regel auch dem RennwLottG. Durch § 16 S. 2 Nr. 2 RennwLottG n.F. ist nun jede im Gemeindegebiet vermittelte zugleich eine im Anwendungsbereich des RennwLottG veranstaltete Wette. Indem das BVerwG eine Wettbürosteuer mit Blick auf den Steuergegenstand generell ausschließt, passt es auch die damalige rechtliche Einschätzung zur Vereinbarkeit der Wettbürosteuer mit dem Gleichartigkeitsverbot an. Auch bei Anwendung eines anderen Steuermaßstabs wäre die Gleichartigkeit zu bejahen. Das BVerwG stellt ausdrücklich klar, dass seine Ausführungen auch mit Blick auf das RennwLottG n.F. Bestand haben.

 

IV. Fazit

Das BVerfG hat mit der Entscheidung vom 22.03.2022 das Gleichartigkeitsverbot konkretisiert. Eine spezielle Bundessteuer entfaltet eine Sperrwirkung gegenüber einer kommunalen Aufwandsteuer, die aus derselben Quelle steuerlicher Leistungsfähigkeit schöpft. Das BVerwG schließt sich dem an und erklärt folgerichtig die Wettbürosteuer für verfassungswidrig. Die Gleichartigkeitsprüfung bei einem Vergleich von Aufwandsteuer und spezieller Bundessteuer entspricht also derjenigen nach dem traditionellen Verständnis des Gleichartigkeitsverbots: Es wird auf den Steuergegenstand bzw. auf die Quelle steuerlicher Leistungsfähigkeit abgestellt. Gibt es keine zu vergleichende spezielle Bundessteuer, kommt es auf einen Vergleich von kommunaler Aufwandsteuer und allgemeiner Umsatzsteuer an. Die dabei anzuwenden Kriterien bleiben allerdings in ihrem Umfang und der Gewichtung unklar, sofern keine allgemeine Gemeindeumsatzsteuer geschaffen wird oder zumindest der Steuergegenstand dahingehend ausgestaltet wird, also alle Aufwendungen gleichermaßen belastet werden.