Bundesfinanzhof: § 17 Abs. 2 RennwLottG a.F. weder europarechtswidrig noch verfassungswidrig
Florian Tautz
Freitag, 06.09.2024
Der Bundesfinanzhof hat mit dem am 05.09.2024 veröffentlichten Urteil v. 16.07.2024, Az.: IX R 6/22 entschieden, dass § 17 Abs. 2 RennwLottG a.F. weder gegen Verfassungs- noch gegen Europarecht verstößt, und damit die Entscheidung des hessischen Finanzgerichts bestätigt.
Die Klägerin mit Sitz im EU-Ausland ist eine europaweit – nach den Feststellungen der Vorinstanz mindestens seit dem 01.07.2012 auch in Deutschland – aktive Anbieterin von Internet-Sportwetten und Inhaberin einer Lizenz eines EU-Mitgliedstaates. Um Chancen auf eine deutsche Konzession zu wahren, gab sie am 10.08.2016 eine Steueranmeldung ab und legte erfolglos Einspruch ein. Sie machte in materieller Hinsicht eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV geltend. Die Steuererhebung der Sportwettensteuer sei als Teil „eines europarechtswidrigen regulatorischen Gesamtkonzepts des Glücksspielmarkts“ nicht zu rechtfertigen. Die Klägerin argumentierte mit dem Konnex zwischen der Regulierung des Glücksspielstaatsvertrags 2012 und der Besteuerung, den der Gesetzgeber des RennwLottG hergestellt hatte, indem er die Liberalisierung durch die Steuervorschriften begleiten wollte, und schloss von dem Scheitern des Konzessionsmodells auch auf die Rechtswidrigkeit der Steuer. Die Ermittlungspflichten hinsichtlich ausländischer Veranstalter seien unerfüllbar, insb. die Begriffe „Wohnort“ und „gewöhnlicher Aufenthalt“ zu unbestimmt. Darüberhinaus machte sie eine Verletzung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG geltend. Eine Ungleichbehandlung ergebe sich daraus, dass die alte Rechtslage zur Besteuerung von Sportwetten nach dem § 17 Abs. 2 RennwLottG a.F. den Spieleinsatz und nicht wie für die Besteuerung von Online-Casinos und Online-Poker nach dem Umsatzsteuergesetz den Bruttospielertrag als Bemessungsgrundlage vorgesehen hat. Zudem sei bei der Erhebung der Sportwettensteuer ein strukturelles Vollzugsdefizit erkennbar.
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Eine ungerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt danach nicht vor. Eine unmittelbare Diskriminierung sei zu verneinen und selbst bei Bejahung einer mittelbaren Diskriminierung – eine solche bejahte die Vorinstanz – sei eine Rechtfertigung mit Blick auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses möglich. Zudem sei das europarechtlich anerkannte Ermessen der Mitgliedstaaten im Bereich der Veranstaltung von Sportwetten zu berücksichtigen. Der Steuersatz von 5% des Wetteinsatzes sei „moderat“ und abwälzbar. Das Gericht erkannte in dem Scheitern des Konzessionsverfahrens für Sportwettlizenzen keine rechtlichen Auswirkungen auf die Bewertung der Besteuerung, da sowohl legale als auch geduldete oder illegale Anbieter angesichts von § 40 AO der Steuer unterfallen. Ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot liege ebenfalls nicht vor und das Gericht erkannte auch keine Verfehlung des Gesetzesziels des Glücksspielstaatsvertrags 2012. Zwar verteure die Besteuerung das Angebot, gleichwohl sei sie geeignet, „den Weg in die glücksspielrechtliche Legalität nicht zu versperren und den Spielern ein legales und staatlich überwachtes Angebot zur Verfügung zu stellen“. Die steuerlichen Mitwirkungspflichten seien für ausländische Veranstalter erfüllbar und die vermeintlich unbestimmten Begriffe anhand des Gesetzeswortlauts und der Rechtsprechung des BFH ausreichend konkretisierbar. Ein Vorabentscheidungsersuchen lehnte das Gericht ebenfalls ab, da sich die Fragen aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs „eindeutig verneinen“ lassen und unter Verweis auf seine Entscheidung vom 17.05.2021, Az.: IX R 20/18 lehnte es auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und der Berufsfreiheit ab.