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Zwei neue Urteile aus Stuttgart zur Rückforderung von Glücksspieleinsätzen
 

Florian Tautz

Mittwoch, 05.06.2024

Das OLG Stuttgart hat in zwei neuen Urteilen Rückforderungsansprüche gegen Anbieter illegalen Glücksspiels bejaht und anders als zuletzt das LG Erfurt (vgl. GLÜG-Blog v. 04.05.2024 und GLÜG-Blog v. 05.05.2024) eine Vorlage an den EuGH abgelehnt.

Mit Urteil v. 24.05.2024 (Az.: 5 U 74/23; abrufbar bei juris) bestätigte das OLG einen Rückforderungsanspruch eines Spielers aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB gegen eine Anbieterin unerlaubter Sportwetten. Dabei berief es sich in wesentlichen Punkten auf den Hinweisbeschluss des BGH v. 22.03.2024 (Az.: I ZR 88/23) (vgl. GLÜG-Blog v. 17.04.2024). Das OLG verneinte die Verjährung der bereicherungsrechtlichen Ansprüche in Bezug auf die Geldeinsätze bis einschließlich 31.12.2018 und bejahte zudem hilfsweise einen Anspruch aus § 852 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB. § 4 Abs. 5 und § 21 Abs. 4 GlüStV 2012 seien Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Eine Vorlage an den EuGH erachtete das OLG Stuttgart nicht für notwendig, da „die Folgen einer möglichen Unionsrechtswidrigkeit von Regelungen im Bereich des Glücksspiels und die Anforderungen an ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung für das Angebot von Glücksspielen […] in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt“ seien.

In dem weiteren Urteil v. 24.05.2024 (Az.: 5 U 101/23; abrufbar bei juris) geht es um die Rückerstattung verlorener Einsätze für Online-Glücksspiele. Das Gericht bejahte einen Rückzahlungsanspruch gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1, 817 S. 1 BGB und §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012. Soweit Bereicherungsansprüche verjährt seien, folge der Anspruch aus §§ 823 Abs. 2, 31, 852 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012. Das Gericht erachtete die Verträge zwischen dem Kläger und der Beklagten wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1, 4 GlüStV 2012 gem. § 134 BGB als nichtig. Das Internetverbot aus § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstoße nicht gegen das Kohärenzgebot. Insbesondere betrachtete das OLG unter Verweis auf zahlreiche glücksspielbezogene Studien die unterschiedliche Behandlung von Online-Angeboten und stationären Angeboten als gerechtfertigt. Dies gelte auch für die Ausnahmen vom Internetverbot für Lotterien, Sport- und Pferdewetten. Ein zur Inkohärenz der Glücksspielregulierung führendes Vollzugsdefizit habe nicht vorgelegen. Das OLG Stuttgart möchte dem EuGH keine Fragen vorlegen. Es setzte sich mit den Vorlagefragen des maltesischen Gerichts (vgl. EuGH Rs. C-440/23) auseinander und erläuterte in wesentlichen Aspekten eine andere Auffassung – es erkannte etwa wissenschaftliche Belege zur Rechtfertigung des Internetverbots. Bereicherungsrechtliche Ansprüche, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind, seien zwar verjährt, Ansprüche würden aber insoweit aus §§ 823 Abs. 2 31, 852 BGB iVm § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 folgen. Soweit es um Ansprüche aus der Zeit vor 2019 geht, ließ das OLG die Revision zu. Ansonsten sah es dafür keine Gründe. Insbesondere erkannte es trotz Aussetzungsbeschlusses des BGH bis zur Entscheidung des EuGH im Verfahren C-440/23 (Beschl. v. 10.01.2024, Az.: I ZR 53/23) keine Divergenz zu Entscheidungen eines höher- oder gleichrangigen Gerichts. Der Aussetzungsbeschluss sei „nicht begründet“ und „als bloße Zwischenentscheidung auch keine Entscheidung in diesem Sinne“. Außerdem liege ein anderer Sachverhalt vor.