Rückforderung von Glücksspieleinsätzen: Der umstrittene Einsatz des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO
Leonie Schulz
Dienstag, 10.06.2025
Datenschutz ist heute ein allgegenwärtiges Thema und auch der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO (VO (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG(Datenschutz-Grundverordnung)) bekommt immer mehr Relevanz. Aber kann dieser auch dazu dienen, sich im Zivilprozess Beweismittel gegen den Klagegegner zu beschaffen? Diese Frage spielt nun bei glückspielrechtlichen Rückforderungsklagen eine Rolle. Dabei setzen Spieler, die bei illegalem Online-Glücksspiel Geld verloren haben, den Auskunftsanspruch im Rahmen einer Stufenklage zunächst gezielt zur Prozessvorbereitung ein, um im zweiten Schritt die verlorenen Einsätze zurückzuverlangen.
Werden personenbezogene Daten verarbeitet, hat die betroffene Person nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 DS-GVO ein Recht auf Auskunft über eben diese Daten. Grund dafür ist, dass die betroffene Person die Möglichkeit haben soll, sich so der Verarbeitung bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Werden nun gezielt Auskunftsersuche gestellt, um damit die Rückzahlung von beim Online-Glücksspiel verlorenen Einsätzen gerichtlich geltend zu machen, stellt sich die Frage, ob diese Auskunftsersuche noch mit dem Zweck des Art. 15 DS-GVO übereinstimmen oder möglicherweise sogar als rechtsmissbräuchlich einzustufen sind.
1. Entscheidung des LG Mühlhausen und des LG Ellwangen
Das LG Mühlhausen hat mit Urteil vom 11.07.2024 (6 O 257/23) einen im Wege der Stufenklage gestellten Auskunftsanspruch mit Blick auf das Verweigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b DS-GVO abgelehnt. Das Gericht sieht eine solche Verfolgung datenschutzfremder Zwecke, die sich so weit vom eigentlichen Regelungsgehalt der Rechtsgrundlage entfernt habe, als nicht schützenswert an. Zudem hält es einen so konstruierbaren Ausforschungsbeweis im Zivilprozess für problematisch, da so der Beibringungsgrundsatz des deutschen Prozessrechts unterlaufen würde.
Anders hingegen das LG Ellwangen (Urt. v. 03.09.2024, 6 O 65/24): Das Gericht hat die gezielte Geltendmachung des Auskunftsanspruchs zur Substantiierung der Rückforderungsklage nicht als offensichtlich rechtsmissbräuchlich eingestuft. Auch hier hat der Kläger im Wege der Stufenklage zunächst den Auskunftsanspruch geltend gemacht, um in Folge den angestrebten Rückerstattungsanspruch beziffern zu können. Jedoch gibt es einen – nicht unwesentlichen – Sachverhaltsunterschied: Der Kläger nahm hier die Einsätze nicht über sein Bankkonto vor, sondern mittels Prepaid- oder Voucherkarten. Dadurch ist es für ihn schwerer, die getätigten Einsätze nachzuvollziehen. Das Gericht stellt hier maßgeblich darauf ab, dass der EuGH (Urt. v. 26.10.2023, C-307/22 (FT/DW)) erklärt hat, dass es bereits keiner Begründung für ein Auskunftsersuchen bedarf und demnach auch keine Verfolgung datenschutzrechtlicher Ziele erforderlich sei. Zudem sei eine offensichtliche Rechtsmissbräuchlichkeit, aufgrund der bestehenden Rechtsprechung zu glücksspielrechtlichen Rückforderungsklagen nicht gegeben.
2. Zweckgebundenheit des Anspruchs
Aufgrund der unterschiedlichen Interpretationen der Gerichte stellt sich die Frage, ob der Anspruch aus Art. 15 DS-GVO zweckgebunden ist. Welcher Zweck dem Auskunftsanspruch zugrunde liegt, ergibt sich aus Erwägungsgrund 63 der Verordnung: Nach S. 1 steht der betroffenen Person ein Auskunftsrecht zu, „um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.“ Dadurch soll es der betroffenen Person auch ermöglicht werden, die Daten auf Richtigkeit zu überprüfen und nachzuvollziehen, ob die Datenverarbeitung überhaupt zulässig ist. Demnach könnte Art. 15 Abs. 1 u. 3 DS-GVO dahingehend auszulegen sein, dass der Antrag abzuweisen ist, wenn ein anderer, nicht damit in Verbindung stehender Zweck verfolgt wird, wie es insbesondere bei der Datengewinnung zur Substantiierung eines Klagebegehrens der Fall wäre. In diesem Fall, würde Art. 15 Abs. 1 u. 3 als bloßes Mittel zweckentfremdet eingesetzt werden, ohne dass die eigentliche datenschutzrechtliche Intention des Verordnungsgebers greift. Es geht dem Antragsteller hier gerade nicht um eine Überprüfung der Verwendung der eigenen Daten und die Geltendmachung eventueller Folgeansprüche (z.B. Recht auf Berichtigung aus Art. 16, Löschung aus Art. 17 oder Widerspruch aus Art. 21), sondern bloß um die Geltendmachung eines Anspruchs aufgrund erlittener Spielverluste. Daher erscheint es fraglich ob dies noch vom Schutzzweck der DS-GVO erfasst ist.
Der EuGH hat sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens auch mit der Frage nach der Abhängigkeit des Auskunftsanspruchs von der zugrundeliegenden Motivation beschäftigt. Der BGH als vorlegendes Gericht (BGH Beschl. v. 29.3.2022, VI ZR 1352/20) war der Ansicht, dass sich aus dem Wortlaut des Art. 15 DS-GVO eine solche Abhängigkeit nicht ergebe und es zudem überhaupt an einer Begründungspflicht mangele. Der EuGH hat damit übereinstimmend entschieden, dass sich weder aus dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 5 noch aus dem des Art. 15 Abs. 1 u. 3 DSGVO eine Begründungspflicht ergebe. Dem Erwägungsgrund sei es nicht möglich, die Tragweite des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO einzuschränken. Zudem seien die Erwägungsgründe nach ständiger Rechtsprechung nicht rechtlich verbindlich und könnten weder zur Abweichung von den betreffenden Bestimmungen noch zur Auslegung entgegen des Wortlautes herangezogen werden. Somit könne, wenn die Person schon nicht verpflichtet ist, den Antrag zu begründen, sich aus dem Erwägungsgrund 63 nicht ergeben, dass der Antrag bei Verfolgung anderer Zwecke abzulehnen sei. Zwar wurde die DS-GVO nicht gezielt dazu geschaffen, Ansprüche durchsetzbar zu machen, jedoch stehe sie dem auch nicht entgegen. Damit ist es nach der Rechtsprechung des EuGHs, die sich seitdem auch deutsche Gerichte zu eigen machen – neben dem LG Ellwangen auch OLG Braunschweig, Beschluss v. 12.01.2024, 2 U 106/22, Rn. 15 –,[2] nicht erforderlich, dass die von der DS-GVO vorgesehenen Zwecke verfolgt werden. Auch wenn der EuGH teilweise eine etwas umfassendere Begründung vermissen lässt, erscheint diese Rechtsprechung insbesondere im Hinblick auf den Wortlaut und die fehlende Begründungspflicht inhaltlich überzeugend. Aufgrund der vielfältigen Streitigkeiten die sich um die Frage drehen, zu welchem Zweck der Auskunftsanspruch geltend gemacht werden darf, wäre für eine abschließende Klärung eine ausführlichere Begründung insbesondere im Hinblick auf eine etwaige Rechtsmissbräuchlichkeit zu begrüßen gewesen.
3. Rechtsmissbräuchlichkeit
Wenn die Zweckgebundenheit keine Anspruchsvoraussetzung ist, könnte sich die Unzulässigkeit des Anspruchs aber aus der Rechtsmissbräuchlichkeit ergeben.
a) Art. 12 Abs. 5 DS-GVO
Eine Grenze missbräuchlicher Ausübung ergibt sich aus Art. 12 Abs. 5 DS-GVO, wonach der Verantwortliche „bei offenkundig unbegründeten oder – insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung – exzessiven Anträgen einer betroffenen Person“ ein angemessenes Entgelt verlangen (nach Art. 12 Abs. 5 DS-GVO ist die Auskunft grundsätzlich unentgeltlich zu Verfügung zu stellen) oder sogar die Auskunft verweigern kann. Das Merkmal der Exzessivität könnte hier nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zu verstehen sein, sodass hier erneut der datenschutzfremde Zweck Berücksichtigung finden könnte. So sieht es das LG Mühlhausen, welches aus dem datenschutzfremden Zweck die Rechtsmissbräuchlichkeit herleitet. Für eine solche Auslegung spricht grundsätzlich auch der Wortlaut, der mit „insbesondere“ deutlich mache, dass nicht ausschließlich der Fall häufiger Wiederholung erfasst sei. So könnten auch Anträge erfasst sein, die der Schädigung des Verantwortlichen dienen oder mit denen rechtlich missbilligte Zwecke verfolgt werden. Der EuGH hat jedoch – wie bereits aufgezeigt – deutlich gemacht, dass sich der Art. 15 DS-GVO nicht in der datenschutzrechtlichen Nutzung der gewonnenen Informationen erschöpft. Insbesondere wenn die Daten zum Abbau von Informationsasymmetrien genutzt werden, handelt es sich um ein legitimes Ziel. Dies ist regelmäßig auch bei Auskunftsansprüchen zur Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens der Fall. Zudem kann, wie das OLG Köln (Urt. v. 13.05.2022, 20 U 295/21) anmerkt, ohnehin nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass es dem Antragssteller nicht – zumindest auch – um den Schutz seiner Daten geht, sodass es nicht sinnvoll erscheint, den Anspruch von einer inneren Motivation abhängig zu machen. Das LG Mühlhausen schenkt hingegen der Rechtsprechung des EuGHs keine Beachtung. Zwar wird der Zweck nur im Rahmen der Rechtsmissbräuchlichkeit bemüht, dieser Anknüpfungspunkt erscheint jedoch fragwürdig: Wenn schon der Anspruch selbst nicht an einen bestimmten Zweck gebunden ist, drängt sich der Eindruck auf, dass durch die andere Anknüpfung die widersprechende Ansicht des EuGHs umgangen werden soll. Mithin kann nicht, wenn schon der Anspruch selbst nicht zweckgebunden ist, aus einem solchen datenschutzfremden Zweck die Rechtsmissbräuchlichkeit hergeleitet werden.
b) Widerspruch zu deutschen Prozessrechtsgrundsätzen
Das LG Mühlhausen sieht hier zudem den Versuch, einen Ausforschungsbeweis zu konstruieren, welcher den Grundsätzen des deutschen Zivilprozessrechts zuwiderlaufe. Ein Auskunftsrecht würde dem Antragsteller Zugang zu nahezu allen relevanten Informationen in der Sphäre des Antragsgegners gewähren, was im Widerspruch zum Beibringungsgrundsatz der ZPO stehe. Es ist vielmehr Sache der jeweiligen Parteien, die für sie günstigen Tatsachen vorzutragen und ggf. einen geeigneten Beweis anzubringen. Im Rahmen der Rückforderungsklagen sind vor allem die Daten zur Zahlungs- und Spielhistorie relevant. Hier wird zum Teil angemerkt, dass eine solche Auskunft nicht notwendig sei, da diese Daten auch mithilfe der kontoführenden Kreditinstitute nachträglich rekonstruierbar seien. Indes gelte etwas Anderes bei der Zahlung mittels Prepaid Karten, für die keine entsprechende Nachvollziehbarkeit bestehe. Während der Entscheidung des LG Ellwangen tatsächlich ein solcher Fall vorliegt, in dem aufgrund der Zahlung mit Prepaid- und Voucherkarten die Nachvollziehbarkeit deutlich eingeschränkt ist, ist es dem Kläger nach Ansicht des LG Mühlhausen möglich und zumutbar, sich selbst durch Kontoauszüge oder Ähnliches Klarheit über die eigenen Vermögensabflüsse zu verschaffen. Es erscheint jedoch bereits fragwürdig, ob überhaupt ein solches Erfordernis besteht. Sowohl das LG Köln (Urt. v. 19.06.2019, 26 S 13/18) als auch das LG Mönchengladbach (Teilurt. v. 06.03.2024, 6 O 134/23, n.v.) verneinten den Anspruch aufgrund eines fehlenden Informationsgefälles. Nach dem LG Köln reiche eine Herausgabe von Informationen, die der betroffenen Person bereits bekannt sind, und mithilfe derer nur eine vereinfachte Buchführung erreicht werden soll, nicht aus. Das LG Mönchengladbach hielt die Möglichkeit, die Zahlungen an den Glücksspielanbieter über die zugänglichen Bankdaten nachzuvollziehen, für ausreichend. Demgegenüber stehend geht das LG Ellwangen davon aus, dass sich aus Art. 15 DS-GVO kein solches Erfordernis einer Informationsasymmetrie ergebe, obwohl es in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt durchaus annehmbar wäre. Auch der BGH hat bereits entschieden, dass es den Anspruch nicht ausschließt, wenn Informationen bereits bekannt sind (Urt. v. 15.06.2021, VI ZR 576/19). Für die vom LG Köln und LG Mönchengladbach vertretene Einschränkung bietet der Wortlaut keinen Anhaltspunkt. Allerdings könnte auch hier wieder der in Erwägungsgrund 63 niedergelegte Zweck für eine Einschränkung angeführt werden, da durch die DS-GVO sichergestellt werden soll, dass der Betroffene die gespeicherten Daten entsprechend beurteilen kann. Dies greift jedoch nicht, wenn bereits alle relevanten Daten bekannt sind und der Anspruch nur geltend gemacht wird, um sich selbst Arbeitsaufwand zu ersparen. Jedoch ist auch an dieser Stelle auf die bereits aufgezeigte Rechtsprechung des EuGHs zu verweisen, wonach eine Begründung nicht erforderlich ist. Damit kann auch die bloße Arbeitserleichterung als legitimes Ziel ausreichen. Selbst wenn hier ein Widerspruch zu den Grundsätzen der ZPO vorliegt, würde sich dieser aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht auswirken. Sollte es dem Kläger letztlich tatsächlich nur um die Begründung seiner Ansprüche gehen, was ihm in dem Fall auch eigenständig möglich wäre, ist aufgrund der Rechtsprechung des EuGHs der Ansicht des LG Mühlhausen nicht zu folgen.
c) Rechtsmissbräuchlichkeit der Rückforderungsklage selbst
Eine Rechtsmissbräuchlichkeit kann sich daher nur noch aus der Rechtsmissbräuchlichkeit der sich anschließenden Rückforderungsklage ergeben. Dafür ist gerade eine offenkundige Rechtsmissbräuchlichkeit erforderlich, da ansonsten eine Einengung des durch den EuGH umfänglich zugestandenen Auskunftsanspruchs drohe. Aufgrund der zahlenmäßig überwiegenden Entscheidungen der obergerichtlichen Rechtsprechung und des Hinweisbeschlusses des BGHs, die eine Rechtsmissbräuchlichkeit bis jetzt nicht angenommen haben, fehlt es in jedem Fall an der Offenkundigkeit.
4. Fazit
Folglich macht die Rechtsprechung des EuGHs deutlich, dass der Auskunftsanspruch möglichst umfassend und unabhängig von dem damit verfolgten Zweck besteht. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Auskunftsersuchen zur Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens rechtsmissbräuchlich ist.
Eine solche Anwendung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO führt zu widersprüchlichen Empfindungen, da es durchaus unbillig erscheint und im Widerspruch zu grundlegenden Prinzipien des deutschen Zivilprozesses steht, den Anspruchsgegner zu verpflichten, für eine Klage gegen sich selbst die entsprechenden Beweise herauszugeben. Einerseits verfehlt dies den eigentlichen Zweck der DS-GVO und auch, wenn es die Schwelle zur Rechtsmissbräuchlichkeit nicht überschreitet, kann dies zumindest einen fragwürdigen Eindruck hinterlassen. Andererseits hat der EuGH eindeutig klargestellt, dass weder aus dem Wortlaut noch aus den Erwägungsgründen eine Pflicht zur Begründung und damit auch keine Zweckgebundenheit des Auskunftsersuchens abgeleitet werden kann. Zudem erscheint es auch aus einer außerrechtlichen Perspektive nicht unbillig die Verhandlungsposition der im Prozess oftmals schwächeren Partei durch einen solchen Anspruch zu stärken. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass auch bei primärer Nutzung zur gerichtlichen Durchsetzung von Rückforderungsansprüchen ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO besteht.